Die Landgüterverordnung "capitulare de villis vel curtis imperii"
von Heinz Jacobi (Juni 2001)
Seit vielen Jahren verbreiten Besen- und Straußenbuch die aus der Literatur bezogene Behauptung, die Straußwirtschaften gingen zurück auf das "capitulare de villis", erlassen um 800. Unzählige schrieben uns das ebenso ungeprüft nach.
Nun fanden wir den lateinischen Text – und trotz Reanimierung aller Lateinkenntnisse und der Assistenz eines bewährten Altphilologen war in den 70 Kapiteln nichts zu entdecken, was mit dem Aushängen von Sträußen beim Ausschank überschüssigen Weines zu tun hätte, eher sollte der wohl gemeldet und in den königlichen Keller geschickt werden. Die deutsche Ausgabe von Gareis (1895) war in der Eile vor Drucklegung nicht greifbar. Nun wissen wir, bis wann die Hengste zu den Stuten gebracht werden, daß Geiseln nicht auf den Höfen verpflegt werden sollen, alles über Vorräte an Werkzeugen und Produkten, über die Buch geführt werden muß, über alle Kräuter des Gartens, Transportkarren-Bewaffnung, Hühner, Fischteiche und Schweine, doch was Wein betrifft: verstreut nur die Anweisung, Fässer mit Eisenringen und keine Weinschläuche zu benutzen, die Keltern in Ordnung zu halten und die Trauben nicht mit den Füßen zu stampfen um der Reinlichkeit willen, und daß jeder Rebstock mindestens drei bis vier "coronas de racemis" haben soll (Kap. 22), was Aachener Gartenfreunde mit "Büglinge" übersetzen. Kurz: so weit unsere Lateinkenntnisse reichen, war Karl der Große auf jeden Fall nicht durch diese 70 Kapitel der Vater aller Straußwirtschaften. Wir werden der Frage nachgehen.
Damit die Mühen nicht umsonst waren und Sie einen Eindruck vom "capitulare de villis" bekommen, Kapitel 8 in der neuen Übersetzung von Klaus Olshausen, dem wir dafür danken:
8. Wir wollen, daß unsere Amtmänner diejenigen Weinstöcke zu Lehen empfangen, die zu ihrem Amtsbereich gehören, und diese veredeln und den Wein selbst in gute Gefäße füllen und peinlich darauf bedacht sind, daß diese keinen Schaden nehmen. Andere besonders gute Weinreben sollen sie kaufen, um sie auf unseren Hofgütern anbauen zu können. Und wenn einmal ein Überschuß an Wein zur Verfügung steht, der an unsere Hofgüter geschickt werden muß, so soll uns das zur Kenntnis gebracht werden, damit wir anordnen können, was alsdann unser Wille ist. Die Schößlinge aus unseren Weingärten sind zu unserem Nutzen zur Verfügung zu stellen. Diejenigen, die uns Wein aus unseren Hofgütern schulden, sollen diesen als Zinsabgabe in unsere Keller schicken.
Zum Abschluß noch ein paar nette Worte zur Trunksucht, die wir natürlich aus vollstem Herzen teilen. In seiner "Vita Karoli Magni" berichtet Einhard über Karls Haltung zum Übermaß (I,24):
In Speise und Trank war er mäßig, mäßiger jedoch noch im Trank, denn Trunkenheit verabscheute er an jedem Menschen aufs äußerste, erst recht denn an sich und den Seinigen.
Man sollte also vielleicht doch in Erwägung ziehen, sich einen
anderen Paten aller Straußwirtschaften zu suchen.
Anmerkung:
Heinz Jacobi war es, der mir Illigs "erfundenes Mittelalter" Mitte 1999 schmackhaft machte. Zur Strafe drucke ich hiermit seinen etwas außerhalb der Konkurrenz laufenden Text, den er für die Straußen- und Besenbücher geschrieben hat, ab, natürlich mit seiner freundlichen Genehmigung. (Franz Krojer)
Weitere Informationen siehe:
http://www.wetterhuhn-verlag.de